Die Welfenkaiserin by Martina Kempff
Autor:Martina Kempff
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2010-02-27T23:00:00+00:00
»Sag den Feldzug gegen die Bretonen ab!«, flehte Judith ihren Gemahl am Vorabend des Aschermittwochs an. »Es ist eine Verschwörung gegen uns im Gange, ich spüre das.«
Zu friedlich war die Stimmung in den letzten Tagen am Hof gewesen, fand sie, lauernd wie die Ruhe vor dem Sturm. Besonders misstrauisch war sie geworden, als ihr sowohl Ruadbern wie auch Bernhard von unbegleiteten Ausritten dringend abgeraten hatten.
»Es rumort im Volk«, hatte Bernhard nur gesagt. »Es sind üble Gerüchte verbreitet worden, und wir sorgen uns um deine Sicherheit.«
Mehr wollte er ihr nicht sagen. Aber Ruadbern, der seine Ohren überall zu haben schien, nahm kein Blatt vor den Mund.
»Deine Feinde sind sich nicht zu schade gewesen, die einfachen Leute gegen dich aufzuwiegeln. Dir wird Ehebruch vorgeworfen, Judi«, er sah sie missbilligend an, »und Hexerei, was nach der Synode in Paris möglicherweise noch schlimmer ist, da so etwas neuerdings mit dem Tode bestraft werden kann.«
Judith zweifelte keinen Augenblick daran, dass Lothar und Irmingard im fernen Italien eine besonders heimtückische Intrige gesponnen hatten. In gewisser Hinsicht nötigte ihr diese strategische Leistung Achtung ab. Hinterlist sollte mit den gleichen Waffen bekämpft werden, dachte sie; ein Feldzug würde in der derzeitigen Lage das Herrscherhaus nur schwächen – zumal keineswegs sichergestellt war, dass Lothar und seine Leute nicht auch Ludwigs Heerführer unterwandert hatten.
Doch sosehr sie ihn auch beschwor, Ludwig war nicht davon abzubringen, am folgenden Tag aus Aachen aufzubrechen. Um dem bösen Gerede keine Nahrung zu geben, hatte Bernhard beschlossen, ihn zu begleiten. Sie ließen eine ziemlich verzweifelte Judith in Aachen zurück. Da half es auch nichts, dass Walahfrid Strabo ihr mit einem neuen Gedicht seine unverbrüchliche Treue und Zuneigung bekundete. Im Gegenteil: Bei seinem Anblick musste sie unwillkürlich an die prophetische Gabe der Göttin Holda denken, die er auch ihr zugeschrieben hatte. Man muss keine Wahrsagerin sein, dachte sie, um bei all der Niedertracht, die uns umgibt, zu ahnen, wie finster die unmittelbare Zukunft für uns aussieht.
Ruadbern war vor dem Palatium auf sie zugetreten. Ihr war nicht entgangen, dass die Wachen einen neuen, viel weiteren Kreis um die Hofgebäude gebildet hatten und mit Mühe Bewohner Aachens zurückdrängten.
»Hure!«
»Hexe!«
»Teufelin!«
»Metze!«
Die wütenden Rufe aus der Menge konnte niemand zurückdrängen.
Ohne wie früher dem Volk zuzuwinken, wandte sich Judith um und kehrte ins Gebäude zurück. Eine plötzliche Wut auf Bernhard ergriff sie. Er war längst nicht so umsichtig, wie sie geglaubt hatte, längst nicht so klug. Noch vor ihm hatte sie zu Recht an jenem Mann gezweifelt, den Pippin als Späher am Hof untergebracht hatte. Bernhards Befürwortung des Feldzugs in die Bretagne zeigte, wie wenig Gespür er für die Lage im Land hatte. Und dieses Abenteuer ausgerechnet auch noch in die Fastenwoche zu verlegen! Vielleicht gerade weil sie nicht viel von militärischen Angelegenheiten verstand, glaubte Judith das Zusammenwirken aller Kräfte besser einschätzen zu können. Eine noch größere Befähigung dazu vermutete sie in ihrem treuen Ruadbern.
»Was rätst du mir?«, fragte sie ihn.
Er dachte nicht lange nach.
»Auf keinen Fall länger hierzubleiben«, erwiderte er. »Du hast die Rufe selbst gehört. Bring dich vorübergehend in einem Kloster in Sicherheit.
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